Zwangsstörung vs. autistische Rituale

Zwangsstörung vs. autistische Rituale

Warum der Unterschied so wichtig ist

Zwanghafte oder stereotype Verhaltensmuster wie das Bestehen auf ritualisierte Abläufe und das zwanghafte Vermeiden unbekannter Situationen gehören zu den Kernsymptomen von Autismus.

Diese dürfen nicht mit einer Zwangsstörung wie sie in den Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (ICD-11 6B20ff) beschrieben ist, verwechselt werden.

zwanghaftes ständiges Händewaschen

Zwangshandlungen oder -gedanken, wie sie bei diagnostizierten Zwangsstörungen auftreten sind quälend für die Betroffenen. Es handelt sich dabei um einen inneren Zwang, bestimmte Dinge zu tun oder zu denken, die als unangenehm, belastend oder beängstigend empfunden werden. Dieser Zwang kann nicht unterdrückt werden und beeinträchtigt die Lebensqualität der Patienten. Sie leiden darunter.

 

beruhigendes autistisches Ritual

Das ist bei autismusspezifischen Zwangssymptomen nicht der Fall. Bei Menschen mit Autismus stellen stereotype Verhaltensweisen und Rituale eine angenehme, regulierende und lustbetonte Möglichkeit der Entlastung dar. Sie werden als entspannend und befriedigend wahrgenommen. Die Möglichkeit ihren Ritualen und Stereotypien nachzugehen, gibt ihnen Sicherheit und Kontrolle. Sie dienen der Stressreduktion und sind somit eine erfolgreiche Strategie zur Bewältigung des Alltags. Sie sollten daher logischerweise nicht unterbunden werden.

Warum ist diese Unterscheidung wichtig?

Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch eine Person mit Autismus unter einer Zwangsstörung leidet. Das nennt man dann eine Komorbidität (eine Begleiterkrankung, die von ursprünglichen Syndrom abgrenzbar ist, also eigentlich nichts mit Autismus zu tun hat). Leider werden komorbide Zwangsstörungen aber oft als dem Autismus zugehörig abgetan und nicht behandelt. Zwangsstörungen sind aber behandelbar und müssen nicht ertragen werden. Es ist tragisch für die Betroffenen, wenn ihnen diese Hilfe nicht zuteil wird, weil die Zwangsstörung nicht erkannt, sondern als autismusspezifisches Ritual abgetan wird.

Umgekehrt ist bei der Diagnosenstellung wichtig zu erkennen, ob es sich um eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung handelt, oder ob die Person dem Autismus-Spektrum zuzuordnen ist. Vor allem bei Selbsttestung im Internet lassen sich Fragen nach Zwängen und Ritualen oft mit JA beantworten, was zur Annahme führen kann, man sei autistisch. Eine Frage bzw. Item wie „Es regt mich auf, wenn mein gewohnter Tagesablauf gestört wird“ oder „Unbekannte Situationen machen mir Angst“ können auch Anzeichen einer Zwangs- oder Angststörung sein. Auch hier wird dann die Möglichkeit einer erfolgreichen Behandlung versäumt.